Wenige Tage vor meiner Graduation sind meine Eltern in Madison, WI, USA gelandet. Nach einigem Hin- und Herüberlegen hatten wir uns dafür entschieden, dass sie mich aus den Staaten abholen, weil sie so die Chance hatten, ihre Tochter von einer amerikanischen High School graduieren zu sehen, den Ort kennenzulernen, der zu meinem zweiten zu Hause geworden war, die Menschen zu treffen, die für mich zu einer zweiten Familie geworden sind und als kleines i-Tüpfelchen im Anschluss noch gemeinsam mit mir die amerikanische Ostküste zu bereisen.
Ob man wirklich möchte, dass seine Eltern einen abholen, muss jeder Austauschschüler für sich selbst entscheiden denke ich. Nicht nur einmal habe ich gehört, dass Leute ihre Eltern nicht dort haben wollten, weil sie einfach nicht Welt dieses zweiten, ganz anderen Lebens waren. Ich muss zugeben, dass es auch für mich merkwürdig war, besonders weil ich das Gefühl hatte, dass sich meine Gasteltern herabgesetzt gefühlt haben. Meine Gastmutter dachte sogar, ich würde es vorziehen, schon bei ihnen aus- und bei meinen Eltern im Hotel mit einzuziehen, sobald sie ankamen. Das kam für mich überhaupt nicht in Frage, denn das war doch mein zu Hause - warum sollte ich lieber in einem Hotel wohnen als zu Hause bei meiner Familie? Gleichzeitig war es auch schwer, meinen Eltern nicht mit genau dieser Einstellung vor den Kopf zu stoßen. Natürlich sind sie meine echten Eltern, trotzdem sind da jetzt diese anderen Leute, die ich auch liebe. Zum Glück waren meine Eltern, was das anging, immer sehr verständnisvoll. Deshalb habe ich persönlich es sehr genossen, ihnen meine zweite Welt zu zeigen. Es half ihnen, ein bisschen besser zu verstehen, wovon ich das ganze Jahr über geredet hatte. Ich konnte ihnen mein Zimmer zeigen, das Haus, meine Schule, den Ort. Mein zweites zu Hause.
Allerdings war das Wiedersehen nicht ganz so schön, wie ich es mir gewünscht hätte. Wir hatten meinen Eltern versprochen, sie vom Flughafen abzuholen. Josh bestand jedoch darauf, dass Nick umbedingt noch zu seinem Baseball-Training geht. Hätten wir pünktlich sein wollen, hätten wir los fahren müssen, bevor das Training überhaupt los ging. Erst danach los zu fahren, bedeutete, fast eine Stunde zu spät zu kommen. Zudem war der Flieger meiner Eltern auch noch überpünktlich, sodass sie dann eine ziemlich lange Zeit verwirrt auf uns am Flughafen warten mussten. Das mangelnde Interesse meiner Gasteltern an meinen richtigen Eltern in diesem Moment hat mich ziemlich traurig gemacht und ich muss ehrlich zugeben, dass ich es bis heute nicht nachvollziehen kann. Meine Eltern sahen es allerdings relativ gelassen. Ich blieb dann bei Ihnen am Flughafen, wir organisierten den Mietwagen, ich half ihnen beim einchecken ins Hotel und dann fuhren sie mich wieder nach Hause.